BeReal oder doch BeFake?

von JULIAN HOFER & CHRISTIAN KROBITZSCH

Jugendliche kennen es: Es kommt eine Benachrichtigung auf das Smartphone „Zeit für BeReal“ und plötzlich bricht Hysterie aus. Jetzt haben sie zwei Minuten Zeit und versuchen, sich möglichst gut in Szene zu setzen und das perfekte Foto von sich zu schießen.

Aufforderung zum Posten eines Bildes (Zeit für BeReal); Bild: Screenshot
Aufforderung zum Posten eines Bildes (Zeit für BeReal); Bild: Screenshot

Echtheit im Rampenlicht

BeReal ist seit einigen Jahren Bestandteil des Social Media-Alltags von Jugendlichen. Und so funktioniert die Konkurrenz zu Instagram & Co:
Das französische Unternehmen BeReal wurde im Jahre 2020 von den beiden Franzosen Alexis Barreyat undKevin Perreau gegründet und zählt mittlerweile zu den beliebtesten Social-Media-Apps der Jugendlichen in Österreich. BeReal ist aber keine 08/15 Social Media-App wie etwa Instagram oder Tiktok. Die Funktionsweise unterscheidet sich deutlich von seinen Mitstreitern. Jeden Tag bekommen alle User:innen von BeReal, die sich innerhalb dergleichen Zeitzone befinden, die Benachrichtigung „Zeit für BeReal“ . Die User:innen haben dann zwei Minuten Zeit, ihr BeReal zu machen. Hierbei handelt es sich um ein Foto, bei dem sowohl Innen- als auch Außenkamera verwendet wird. Der Sinn dahinter soll sein, dass man möglichst echt zeigt, was man gerade macht, und BeReal soll die Antithese zu Instagram und Co. sein, bei denen die Bildbearbeitung und auch Verwendung von Filtern populär sind. Um User:innen zu motivieren, ihr BeReal zu machen, haben sich die Entwickler etwas überlegt. Die BeReals der Freund:innen kann man nämlich nur sehen, wenn man selbst bereits ein BeReal erstellt hat.

Tools und Features

In der App wird eine Vielzahl innovativer Features angeboten, wodurch sich die Plattform im Vergleich zur Konkurrenz unterscheidet. Wenn man beispielsweise pünktlich postet, wird man mit der Möglichkeit belohnt, noch zwei weitere Bilder innerhalb der Zeit bis zum nächsten Alarm teilen zu können. Vor kurzem wurde zudem auch die Möglichkeit der Roulette-BeReals eingefügt, die es unabhängig von der Pünktlichkeit des ersten Fotos erlaubt, ein aktuelles Bild, welches von der Innenkamera aufgenommen wird, mit einem früheren BeReal zu kombinieren. Nicht nur die Nutzer:innen der Plattformen vernetzen sich, sondern auch die Plattform selbst. So gibt es mittlerweile Partnerschaften mit Spotify und Apple Music, die es erlauben, die beim Aufnehmen des Fotos gehörte Musik unter dem Beitrag anzeigen zu lassen. Diese Funktion ähnelt Features auf Dating-Plattformen wie Bumble oder Tinder. Seit einiger Zeit gibt es bei so manchem Handyhersteller die Möglichkeit von Live-Fotos, welche beim Anklicken Sequenzen kurz vor und nach dem Bild abspielen. Die Behind the Scenes Funktion bei BeReal ist im Wesentlichen eine Adaption dieses Features. In der Version innerhalb der App werden nur die Momente vor dem Aufnehmen des Bildes angezeigt. Die wohl interaktivste Funktion ist aber die Möglichkeit der Gruppen, bei welcher es vom allgemeinen Alert unabhängig einmal pro Woche eine eigene Benachrichtigung zum Posten gibt. Den Beitrag sehen dann nur Mitglieder der jeweiligen Gruppen.

Werbeanzeige auf BeReal; Bild: Screenshot
Werbeanzeige auf BeReal; Bild: Screenshot

Das Erlös- und Geschäftsmodell
Die Finanzierung von BeReal war lange ein gut gehütetes Geheimnis, da die App kostenlos ist und auch bis vor Kurzem keine Werbung beinhaltete. Anfang Juni 2024 ist der französische Spieleentwickler Voodoo bei BeReal eingestiegen. 500 Millionen Euro ließ sich das Unternehmen die Übernahme kosten. Dieser Einstieg führte auch zur Einführung von Werbung auf der Plattform. Voodoo erhofft sich durch die Übernahme eine Stärkung der eigenen Stellung. Vor diesem Einstieg finanzierte sich BeReal ausschließlich durch Geld von Investor:innen. In Zukunft soll BeReal also durch die Einführung von Werbung profitabel gemacht sowie ein Wachstum der App erreicht werden.


BeReal verspricht also Authentizität. Die Frage, die sich dabei jedoch stellt, ist, ob diese eingehalten werden kann und überhaupt erwünscht ist. Aus einem im Jänner 2023 erschienenen Marketingbericht geht hervor, dass sich 86,4% der dort befragten Personen wünschen würden, dass BeReal-Bilder bearbeitet werden können. Mehr als ein Drittel gab zudem an, dass sie mindestens drei Fotos pro Tag machen, bevor gepostet wird. Unter Zeitdruck gut aussehen zu wollen, scheint also doch wichtiger zu sein als die Echtheit der Fotos.

Zeitanzeige des verspäteten Posts; Bild: Screenshot
Zeitanzeige des verspäteten Posts; Bild: Screenshot

Die Funktion des Be Late, mit der man auch nach den magischen zwei Minuten noch posten kann, wirkt hier wie ein weiterer kleiner Riss in der Authentizitäts-Fassade der Plattform. Auch mit der Einführung von öffentlichen Profilen auf der Plattform arbeitet man eher entgegen dem eigentlichen Motto: „No filters. No followers. Just friends sharing with each other.” Der vermeintliche Schuss ins eigene Knie dürfte, wie es aussieht, aber doch eher ein Wirkungstreffer sein, denn die Plattform weist immer noch einen Zuwachs an aktiven Nutzer:innen auf.

Kommen wir abschließend zur Realität von BeReal. Alles in allem könnte man meinen, das Konzept als Gegenpol zu stark bearbeiteten und gefilterten Bildern scheint nicht unbedingt der Wunsch des Publikums zu sein und BeReal ist doch nicht so anders wie andere Plattformen. Mit dem Einstieg von Voodoo kommt, wie sich bereits durch die Einführung der Werbung erahnen lässt, ein weiterer Faktor hinzu, der wahrscheinlich die Rentabilität und das Wachstum über die Echtheit stellen wird. Dennoch, obwohl die Plattform seit Beginn immer mehr an ihrer Echtheit verloren hat, nehmen die aktiven Nutzer:innenzahlen zu. Ist BeReal tatsächlich (noch) eine Nische – die Möglichkeit, mit RealMojis auf Bilder zu reagieren ist zwar vermeintlich persönlicher, im Wesentlichen aber dasselbe wie Likes oder Gefällt-mir-Angaben.

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Über die AutorInnen

Julian Hofer ist 21 Jahre alt und studiert im 5. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Er begeistert sich für elektronische Medien und konnte bereits erste Erfahrungen in Radio- und Podcastproduktionen sammeln.

Kontakt:
BeReal: https://bere.al/hofadjule

Bild Copyright: Julius Nagel

Christian Krobitzsch ist 23 Jahre alt und studiert im 5. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Er begeistert sich besonders für Sport und soziale Medien. Erfahrung im Printbereich konnte er bereits mit seinem SUMO-Artikel machen.

Kontakt:
BeReal: https://bere.al/chrisi1904

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