Die österreichische Filmszene war seit Anbeginn von Männern dominiert. Ob vor der Kamera, oder dahinter: Noch immer sind an einem österreichischen Film verhältnismäßig mehr Männer beteiligt als Frauen.
Chancenungleichheit
„Frauen warten auf ihre Männer, bis sie von der Arbeit zu Hause sind und beim Eintreffen der Männer steht natürlich das frisch gekochte Essen schon auf dem Esstisch, das Haus ist geputzt und einkaufen waren sie auch schon, wobei das ein gefährlicher Aspekt ist, denn Frauen können ohnehin nicht Auto fahren.“ Diese Vorurteile gegenüber Frauen sind so alt wie unsere (moderne) Gesellschaftsgeschichte und reichen bis in die Gegenwart. Heute sind wir aber auch fortschrittlicher als unsere Eltern- und Großelterngeneration, aufgeklärter, moderner und auch ein gutes Stück gleichberechtigter. Dennoch sind diese tradierten Rollenklischees weiter tief in unserer Gesellschaft verankert, Frauen werden in vielen Bereichen – allen voran Beruf und Karriere – nach wie vor benachteiligt. Auch in der Filmbranche. Und hier ist es nicht nur das individuelle Handicap, „Frau“ zu sein, denn daneben belegen Daten, dass Frauen auch bei Vergabe von Förderungen und Preisgeldern bis dato signifikant unterrepräsentiert waren.
Leaky Pipeline auch in der Filmbranche
In vielen Berufsfeldern ist das „Leaky-Pipeline-Syndrom“ erkennbar, das deutlich macht, dass ein absinkender Frauenanteil auf allen Qualifizierungsebenen und Karrierestufen festgestellt werden muss, trotz stetig zunehmender höherer Bildungsabschlüsse von Mädchen und Frauen. So auch in der Filmbranche. Der prozentuelle Anteil von Frauen, die ein Masterstudium an der renommierten Filmakademie Wien absolvieren, lag laut Österreichischem Film Gender Report des Filminstitutes zwischen 2012-2016 im Durchschnitt bei 47%. 2016 wurden sogar erstmals mehr Frauen als Männer zum Studium zugelassen. Diese Ausgeglichenheit im Geschlechterverhältnis spiegelt sich auch in den Förderzahlen der „Innovativen Filmförderung“ des Bundeskanzleramts wieder. Dabei handelt es sich um innovative Einstiegsprojekte mit geringeren Geldsummen, und es ist in diesen Projekten charakteristisch noch nicht erforderlich, eine Produktionsfirma für sich zu gewinnen. „Der Großteil der österreichischen Kinofilm-Förderung geht allerdings an Projekte, die über Produktionsfirmen bei den Förderinstitutionen beantragt werden“, erläutert Birgit Moldaschl, „laut Österreichischem Film Gender Report gehen nur mehr ein Viertel (24%) der Fördermittel an Kinofilme, mit Frauen in den Positionen Regie, Drehbuch oder Produktion. Das ist der klassische Verlauf einer Leaky Pipeline. Man könnte verkürzt sagen, dass von fast 50% bestens ausgebildeten Filmemacher*innen am Ende nur die Hälfte in der Kinofilm-Förderung ankommt.“
Somit werden die meisten Film-Jobs von Männern ausgeübt. Vor allem in den Bereichen Licht, Ton, Kamera, und Produktion dominieren die Männer mit über 80%. Auch bei Regie und Drehbuch ist der Frauenanteil mit unter 30% sehr gering. Es gibt viele Hypothesen und Studien darüber, warum in der Filmbranche der Männeranteil so bedeutend höher ist, als der Frauenanteil. Eine Studie der Universität Rostock und des Fraunhofer-Instituts (2017), die im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt wurde, belegt, dass eine deutliche Mehrheit die Filmbranche als nicht chancengleich beurteilt.
Weibliche Filmschaffende sagen selbst, dass es für sie schwieriger sei, ihr Projekt vor einem Produzenten zu pitchen (präsentieren) und den Produzenten dann für das eigene Projekt zu gewinnen. Nicht zuletzt sind Frauen auch in der ProduzentInnen-Landschaft nach wie vor stark unterrepräsentiert.
Gründe für das Ungleichgewicht
Paul Scheibelhofer, Wissenschaftler der Universität Innsbruck, veröffentlichte 2019 eine Studie im Bereich der Geschlechterforschung, die belegt, dass Frauen in ihrer Laufbahn nicht so bestärkt werden wie Männer. Scheibelhofer kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen tendenziell „disempowert“ statt „empowert“ werden. Das heißt, dass Frauen zum Teil weniger Selbstbestimmung und Autonomie in bestimmten Bereichen haben und somit ein Klima der Macht- und Einflusslosigkeit geschaffen wird, bis hin zum Gefühl, nutzlos zu sein.
Im Bereich Kamera und Ton, wo kaum Frauen zu finden sind, wird zum Teil damit argumentiert, dass das Equipment zu schwer sei. „Das Argument, dass das Equipment zu schwer sei, finde ich nicht stichhaltig. Frauen können immerhin genauso Muskeln aufbauen und erlernen wie man mit dem Equipment umgeht, sei es der Umgang mit Mikrofonangeln oder mit der Kamera. Meiner Meinung nach ist das ein Vorurteil, dass Frauen das nicht genauso gut können“, erklärt Birgit Moldaschl im Gespräch mit SUMO.
Auch das Geschlechterverhältnis der Lehrenden an der Filmakademie Wien ist mit einem Männeranteil von 70% deutlich unausgeglichen.
Nun gibt es aber auch einige frauendominierte Bereiche in der Filmbranche. Für die Maske, das Kostümbild und das Casting sind überwiegend Frauen zuständig. Hier liegt der Frauenanteil bei mindestens 80%. „Ich denke, das ist sozialisationsbedingt. Vor allem Maske und Kostüm sind traditionell weiblich konnotierte Rollenbilder“, so Moldaschl. Neben dem Argument, dass es sich um weniger attraktive Tätigkeiten für Männer handle, ist hier die Rede von Jobs, die im Vergleich zur Regie oder Produktion schlechter honoriert werden. „Das ist auch ein Klassiker, dass dort, wo viele Frauen arbeiten, weniger Geld zu holen ist“, meint Moldaschl. Zu Berufen, in denen das Geschlechterverhältnis relativ ausgewogen ist, zählen Schnitt, Szenenbild und Dramaturgie.
Ungleichheit und Gegenmaßnahmen
Filmproduktion ist in Österreich in der Regel alleine mit Marktgeldern nicht finanzierbar. Die Mehrzahl der Filmproduktionen ist somit auf öffentliche Förderung angewiesen. Um Fördermittel zu erhalten, müssen bei jeder Förderungsinstitution bestimmte Kriterien erfüllt werden. Im Falle des Österreichischen Filminstituts muss unter anderem die Person, die den Förderungsantrag stellt, die Staatsbürgerschaft eines EWR-Mitgliedstaates besitzen und einen Wohnsitz in Österreich haben. Es muss sich um eine österreichische Produktion oder zumindest eine österreich-ausländische Koproduktion handeln. Außerdem sind bei der Produktion bestehende Normen wie Kollektivverträge oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einzuhalten. Förderungen können nur gewährt werden, wenn festgelegte Förderungsziele erfüllt werden. Das Österreichische Filminstitut hat sich unter anderem die Erhöhung des Frauenanteils zum Ziel gesetzt. Produktionsfirmen sollen dazu motiviert werden, verstärkt mit Frauen zusammenzuarbeiten. Wenn ein definierter Frauenanteil erreicht wird, bekommen die Produktionsfirmen das sogenannte „Gender Incentive“, also 30.000 € für die Entwicklung eines neuen Projektes, wobei das neue Projekt natürlich auch wiederum einen bestimmten Frauenanteil aufweisen muss.
Diese Art von Förderungen, die den Produktionsfirmen einen Anreiz bieten soll, mehr Frauen anzustellen, gibt es auch bei anderen Institutionen in Österreich. Bei Filmfonds Wien wurde eine neue Richtlinie festgelegt die deutliche Wirkung zeigt. Laut aktueller Angaben auf der Homepage der Filmfonds Wien (https://www.filmfonds-wien.at) stieg der Frauenanteil in der TV-Förderung 2018 auf 39 % und in der Regie auf 28 %. Statistiken zeigen, dass auch der Prozentsatz der Regisseurinnen in die Höhe gestiegen ist. Dieser liegt 2018 auch bei 39 %. „Um den Frauenanteil weiterhin zu erhöhen, sollten die Frauen in der berufsspezifischen Ausbildung noch mehr gestärkt werden, also mehr empowert werden, das fängt damit an, dass man auf der Seite der Lehrkräfte das Frauenverhältnis verbessert. Weibliche Vorbilder in die Filmakademie zu bringen, wäre ein wichtiger Aspekt. Und Das Arbeiten gegen geschlechtsspezifische Stereotype und die Sensibilisierung für Gender überhaupt, das sollte schon in den Schulen und Kindergärten beginnen. Damit meine ich, dass sich gesamtgesellschaftlich etwas ändern muss“, betont Birgit Moldaschl im Gespräch mit SUMO.
Weiters meint sie, dass die Sensibilisierung der Förderstellen enorm wichtig sei. Daten müssen erhoben werden und basierend auf deren Ergebnissen auch Maßnahmen gesetzt werden. Das Gender Incentive ist beispielsweise so eine Maßnahme. Es ist jedoch erst seit Anfang 2017 in Kraft und insofern noch jung. Dennoch hat eine erste interne Erhebung ergeben, dass bei allen Stabstellen, für die es im Rahmen des Gender-Incentives Punkte gab, die Frauen-Anteile leicht gestiegen sind. „Eigentlich stehen wir noch am Anfang der Entwicklung, deswegen lässt sich noch nicht viel über die Entwicklung sagen“, sagt Moldaschl, die am Österreichischen Film Gender Report, der auch in Zukunft in regelmäßigen Abständen erscheinen wird, und am Gender Incentive aktiv mitwirkt.
Mit den Initiativen und dem Wirken von Frauen wie Birgit Moldaschl im Filminstitut bestehen große Chancen, dass der Frauenanteil in Zukunft weiterhin steigen wird. Mithilfe frauenbasierter Förderungen und der Sensibilisierung im Hinblick mit dem Umgang mit Genderthemen, kann es gelingen, die Filmbranche zugunsten von Qualität und Chancengleichheit zu „verweiblichen“.
Es ist auf jeden Fall Zeit, sich gesellschaftlich wie politisch mit diesem Thema breiter auseinanderzusetzen und gezielt wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen.
Von Johanna Aigenberger
Zum Weiterlesen:
Genderreport Filminstitut, Gender Incentive Filminstitut: www.filminstitut.at
Studie Uni Rostok/Fraunhofer: www.ard.de
Daten und Richtlinie des Filmfonds Wien: www.filmfonds-wien.at