Was verführt dazu, gewaltvolle Videospiele zu schaffen? SUMO diskutierte mit den beiden Games-Experten DDr. Eugen Pfister (Hochschule der Künste Bern) und Assoz.-Prof. Dr. René Schallegger (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt).
Gangverbrechen, Raubüberfälle, Mord. Alle diese Taten sind dem erfolgreichen Action Adventure Game „Red Dead Redemption 2“ zuzuordnen. Der von „Rockstar Studios“ entwickelte Bestseller verließ die Läden schneller, als er sie füllen konnte. Mehr als 23 Millionen Exemplare wurden weltweit verkauft. In kürzester Zeit wurden mehrere Verkaufsrekorde gebrochen und das Spiel wurde für viele Auszeichnungen nominiert. Der Protagonist heißt Arthur Morgan und man schreibt das Jahr 1899 zur Zeit des Wilden Westens. Zusammen mit der Gang von Dutch van der Linde begehen sie gemeinsam Verbrechen. Als ein Überfall scheiterte, musste Arthur mit der ganzen Bande fliehen. Kaum sind sie geflohen, fallen sie ins Visier von Kopfgeldjägern und Bundesagenten. Um in der kalten Welt in den USA zu überleben, entscheidet sich die Gang Menschen zu überfallen, auszurauben und zu bekämpfen. Als innere Differenzen drohen die Bande zu zersplittern, steht Arthur vor einer schwierigen Entscheidung: Die eigene Ideologie verfolgen oder bei der Gruppe bleiben, die ihn aufzog?
„Annoying feminist fed to alligator“
Besonders für Furore sorgte das Video eines britischen „YouTubers“ namens „Shirrako“. Im knapp vierminütigen Video ist zu sehen, wie Arthur Morgan vom „YouTuber“ durch die Stadt gesteuert wird. Mit der Zeit wird er auf eine Frauenrechtlerin aufmerksam, die zum Volk spricht und sich für das Wahlrecht für Frauen einsetzt. Nach einem kurzen Gespräch mit der Frau schlägt der Spieler auf sie ein, sodass sie zu Boden stürzt. Daraufhin versucht die Feministin zu fliehen, wird aber schnell von Arthur mit einem Seil eingefangen und eine Strecke lang über den Boden geschliffen. In der nächsten Szene reitet er mit der Gefesselten zu einem Alligatorengewässer, wo die Frauenrechtlerin den Alligatoren vorgeworfen und schließlich getötet wird.
Als Folge dieses Videos wurde „Shirakkos“ Account wegen „Förderung von Gewalt“ für eine bestimmte Zeit gebannt. Nach Aufhebung der Sperrung wurde das Video stark gekürzt wieder hochgeladen.
Einige Videospiele fokussieren primär auf gewaltverherrlichende Inhalte und vermarkten diese auch so. „Sicher gibt es Spiele, die Gore-Effekte als Hauptverkaufsargument nutzen wie etwa die ‚Mortal Kombat’-Reihe. Bei ‚Red Dead Redemption’ ist das aber mit Sicherheit nicht der Fall: Hier ist die Inszenierung von Gewalt eher als Stilmittel zu verstehen, das sich zum Beispiel am Vorbild Quentin Tarantino orientiert“, erklärt Eugen Pfister. Er leitet an der Hochschule der Künste Bern das Forschungsprojekt „Horror-Game-Politics“, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften und lehrt an der Universität Wien.
Unterschiede bei Gewaltspielen
Eine weitere Spielereihe mit gewaltvollen Szenen ist „Battlefield“. Ähnlich wie bei „Red Dead Redemption“ sind auch hier Kämpfe und Morde Alltag. Jedoch unterscheiden sich beide Spiele deutlich: Allen voran kann man bei „Battlefield“ außer Menschen töten nicht viel anderes tun, wobei „Red Dead Redemption“ mehr Variationen bietet. Zum einen bietet das Open World Game die Möglichkeit frei herumzulaufen, und zum anderen unterscheiden sich die Missionen untereinander. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, weitere nebensächliche Aktionen durchzuführen wie beispielsweise das Reiten auf Pferden, das Kaufen von Kleidern oder sogar Campingaktionen. Der von Electronic Arts veröffentlichte Ego Shooter „Battlefield“ ging im Jahr 2018 in die fünfte Runde. Wie bei den Teilen zuvor ist auch „Battlefield 5“ keine direkte Fortsetzung des Vorgängers. Nachdem der Vorgänger um den Ersten Weltkrieg handelt, ist im neuen Teil der Zweite Weltkrieg Schauplatz. Besonders die Atmosphäre die von schreienden Verletzten, lauten Kugelgeräuschen und donnernden Einschlägen gezeichnet ist, strotzt vor Realismus. „Battlefield 5“ erlaubt es dem/r Spieler/in, Kriegshandlungen nachzuspielen.
Bei den SpielerInnen von Ego Shooters wie „Battlefield“ ist nicht nur der Kampagnen-Modus beliebt, sondern auch der Online Multiplayer-Modus, der das Spielen mit FreundInnen wesentlich spannender gestaltet. „Multiplayer-Spiele bringen die zusätzliche Möglichkeit von Gruppen- und zwischenmenschlichen Erfahrungen in der virtuellen Spielwelt, die bei Singleplayer-Spielen ja nur in der ‚realen‘ Welt außerhalb der Spielwelt möglich sind“, erklärt Prof. Schallegger von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Co-Herausgeber des Buchs „Digitale Spiele“ (2016).
Bei Spielen mit gewaltvollen Inhalten ist eine Beliebtheit klar zu erkennen. Ob nun tatsächlich einzig und allein die Gewalt der Grund dafür ist, sei zu bezweifeln. „Konkret in Bezug auf Videospiele ist zu hinterfragen, ob es tatsächlich der gewaltvolle Inhalt per se ist, der Interesse erzeugt, oder nicht viel eher die geschickt designten Belohnungssysteme, die eine enge Bindung der Spielenden an virtuelle Realitäten erzeugen“, sagt Schallegger.
Eine altbekannte Frage
Ein immer wieder behandeltes Thema wenn es um Gewaltspiele geht, ist sicherlich die Frage, ob sie die SpielerInnen aggressiver machen oder nicht. Eine Studie der Univerität Bonn aus dem Jahr 2011 hat sich damit auseinandergesetzt und Emotionen die beim Spielen solcher Games entstehen analysiert. Dafür wurden die Gehirnaktivitätsmuster von SpielerInnen mit denen der Nicht-SpielerInnen verglichen. Beide Gruppen bekamen Bilder von Unfalls- und Katastrophenopfern vorgesetzt, wie sie auch in gewalthaltigen Videospielen zu sehen sind. Beide Gruppen reagierten ähnlich stark emotional auf die negativen Bilder, unterschieden sich es jedoch bei den Emotionen Angst und Aggression. Die ProbandInnen, die mehrere Stunden in der Woche Ego Shooter spielten reagierten schwächer, weil sie solche Szenen schon gewohnt sind. Weitere Unterschiede gab es bei den Hirnaktivitäten, die mit Gedächtnisabruf und Arbeitsspeicher zu tun hatten. Die Shooter-Videospieler zeigten eine stärkere Reaktion als die Kontrollgruppe. Daraus kann man interpretieren, dass erstere sich in die Bilder der Videospiele hineinversetzen und an mögliche Problemlösungen der dargestellten Situation denken.
Es gibt jedoch noch andere Einflussfaktoren, die bestimmen mit welchen Emotionen Menschen reagieren. Schallegger konstatiert: „Ob durch ihre Avatare virtuelle Gewalt ausübende Spielende Wut, Rachegefühle, Trauer, Reue, oder Mitleid empfinden, liegt maßgeblich am Design der virtuellen Spielwelt. Gewalt ist ein grundsätzlicher Bestandteil menschlichen Lebens; die Bedeutung, die sie erhält, ist ein soziales und kulturelles Konstrukt.“