Klarnamenpflicht in Österreich – Die Balance zwischen Anonymität und Identität

Die Diskussion um eine mögliche Klarnamenpflicht für Österreich ist Teil des ÖVP-Wahlprogramms. Befürworter sprechen von einer Möglichkeit, Hass im Netz zu reduzieren und dagegen gezielt vorgehen zu können. Gegner sehen eine Gefahr für die Privatsphäre und ein höheres Risiko von Identitätsdiebstahl.

von HANNAH BALLWEIN & MARLENE DÖLLER

Pseudonym vs. Klarname.  Auftrag an KI Tool Microsoft Copilot

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und was offline gilt, muss auch online gelten. So wie wir offline für Sicherheit und einen fairen Umgang miteinander sorgen, so müssen wir in unserer modernen und digitalen Welt auch online für Sicherheit sorgen.“ Das sagt Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP). Im Österreichplan der ÖVP ist eine Klarnamenpflicht für Onlineplattformen festgeschrieben. Dadurch werden Pseudonyme verboten, was die Möglichkeit bieten soll, Straftaten im Internet besser aufklären zu können.

Das ist die Klarnamenpflicht
Stellen Sie sich vor Sie müssten überall, wo sie hingehen, ein Schild tragen auf dem ihr Vor- und Nachname samt Geburtsdatum und anderen persönlichen Informationen steht. Ungefähr so wäre es, wenn eine Klarnamenpflicht im Internet durchgesetzt wird. Es ist für alle ersichtlich, wer Sie sind. Die Möglichkeit sich hinter einem Pseudonym zu verstecken, fällt somit ganzheitlich weg.

Die Klarnamenpflicht, eine vorgeschlagene gesetzliche Regelung, sieht vor, dass Internetnutzer:innen nur unter ihrem echten, amtlich bestätigten Namen agieren dürfen. Diese Maßnahme wird häufig mit der Bekämpfung von Hassrede und Online-Kriminalität begründet.

Eine Klarnamenpflicht hätte weitreichende Konsequenzen für die unterschiedlichsten Personengruppen und könnte sich nicht nur positiv, sondern auch negativ auf deren Leben auswirken. Kinder und Jugendliche beispielsweise erhalten nicht mehr die Anonymität, um vor Übergriffen und langfristigen Folgen unbedachter Postings geschützt zu sein. Berufstätige könnten durch die Offenlegung ihrer Identität mit Nachteilen im Job konfrontiert werden. Angehörige einzelner gesellschaftlicher Gruppen, wie beispielsweise Mitglieder kleiner Religionsgemeinschaften oder Menschen mit bestimmten Krankheiten, könnten mit der Preisgabe ihrer Identität noch zusätzlichen Vorurteilen und auch Diskriminierungen ausgesetzt werden. Opfer von Mobbing und Straftaten würden die Möglichkeit verlieren, sich anonym Hilfe zu suchen. Sie könnten kein Geschäft betreten, ohne identifiziert zu werden.

So wäre ein Klarnamenpflicht im echten Leben. Auftrag an KI Tool Microsoft Copilot

Aktuell bestehende Klarnamenpflicht:
In Österreich gibt es aktuell Bereiche, in denen Klarnamen als eindeutige Identifikationen erforderlich sind. Vor allem im Bereich der E-Governance. Zum Beispiel ermöglicht die App „Digitales Amt“ den Bürger:innen, verschiedene staatliche Dienstleistungen digital zu nutzen, wobei eine sichere Authentifizierung über Fingerabdruck, Face-ID oder eine Handysignatur mit der ID Austria erforderlich ist. Somit stellt man sicher, dass nur authentifizierte Personen Zugriff auf sensible Informationen und Dienstleistungen haben, und verhindern Identitätsdiebstahl und Missbrauch.

Ein weiteres Beispiel, für eine bereits bestehende Klarnamenpflicht liegt im Bereich E-Commerce und E-Banking. Dort herrscht ebenfalls eine Art Klarnamenpflicht, da persönliche Daten wie Namen und Adresse für die Durchführung von Transaktionen notwendig sind. Unterstützt wird das Ganze auf EU-Ebene durch gesetzliche Regelungen und den Digital Service Act, der sicherstellen soll, dass Plattformen beispielsweise bei Verdacht auf Straftaten Nutzerdaten an Behörden weitergeben müssen.

Pro Klarnamen: Warum Transparenz im Netz unabdingbar ist
Fürsprecher der Klarnamenpflicht sehen Chancen in den verschiedensten Bereichen. Sie versprechen sich dadurch weniger Hassreden im Internet sowie eine Reduktion von Mobbing oder Beleidigungen. Außerdem würden Klarnamen die Nachverfolgbarkeit von Aggressoren erleichtern, also von Personen welche beispielsweise Hassreden initiieren oder Mobbing im Internet betreiben. Vor allem in den sozialen Medien erhofft man sich ein besseres Klima mit einer verpflichtenden Verwendung von Klarnamen.  Ein weiterer Punkt, der für eine Klarnamenpflicht spricht, ist die Annahme, dass die Veröffentlichung von Inhalten unter dem eigenen Namen die Hemmschwelle erhöhen würde. Im Vergleich zu anonymen Postings wären die Nutzer dann möglicherweise vorsichtiger und verantwortungsbewusster in ihrem Online-Verhalten. Eine Klarnamenpflicht scheint angesichts der Vorteile als ideale Lösung vieler Probleme. Studien widerlegen jedoch die Hoffnung auf eine erhöhte Hemmschwelle: Obwohl sich auf der einen Seite ein Rückgang von Beleidigungen im Netz zeige, bleibe auf der anderen Seite die Aggressivität trotz der Verwendung des echten Namens erhalten. Das ist aber nicht der einzige Punkt, welcher gegen eine Klarnamenpflicht im Internet spricht.

Klarnamenpflicht – Nein Danke! Das spricht dagegen
Gegner sehen in der Klarnamenpflicht einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre. Die Bundesregierung könne Österreicher:innen nicht zwingen sich beispielsweise vor US-Unternehmen mittels Personalausweis offiziell auszuweisen. Ebenso wäre eine staatliche Registrierungsstelle für Internetuser ein Eingriff in die Grundrechte.

Das Internet ist ein öffentlicher Raum, in dem wir das Recht haben sollten, uns anonym zu bewegen. Genauso wie in der offline Welt.  Außerdem steigere sich durch eine Umsetzung der Klarnamenpflicht auch das Risiko von Identitätsdiebstählen. Es sei wichtig zu bedenken, dass Pseudonyme nicht ausschließlich Straftäter und Aggressoren schützen. Sie bieten auch vielen anderen Menschen Sicherheit und Privatsphäre. Die Anonymität im Netz – als auch in der Öffentlichkeit – schützen nämlich ebenso vor Schikane oder Belästigungen oder vor politischer Verfolgung.

Identitätsklau. Auftrag an KI Tool Microsoft Copilot

Wie die ÖVP die Klarnamenpflicht umsetzen möchte
Im Wahlprogramm der ÖVP für die Nationalratswahl 2024 ist ein 3 Punkte-Plan für die Umsetzung einer Klarnamenpflicht vorgesehen:

  1. Selbst kleinere Plattformen werden darin verpflichtet gegen Hassreden und Fake-Bewertungen vorzugehen.
  2. Das Posten unter einem Nickname soll weiterhin möglich sein, jedoch muss die eigentliche Identität der Plattform bekannt sein.
  3. Eine Implementierung von barrierefreien Möglichkeiten für alle Nutzer ist vorgesehen.

Den Grund für die Umsetzung kennen wir bereits: „Was offline gilt, soll auch online gelten“. Es müsse nachvollziehbar sein, wer Rechte verletzt. Das soll eine Klarnamenpflicht für Onlineplattformen sicherstellen und somit für mehr Fairness im Internet sorgen. Die ÖVP betont vor allem die Vorteile, die sich für touristische Unternehmen ergeben. Beispielsweise sollen Fake-Bewertungen, die einen hohen wirtschaftlichen Schaden herbeiführen könnten, mittels einer Klarnamenpflicht verhindert werden.

Das sagen Gegner der Klarnamenpflicht
Magdalena Pöschl, Professorin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, ist gegen eine Klarnamenpflicht. Eine solche Pflicht würde der Datenschutz-Grundverordnung der EU widersprechen. Außerdem spreche es gegen die Interessen der Nutzer, ihre Klarnamen offen den Plattformen, welche ohnehin viele ihre Daten sammeln, anzugeben.

Die Diskussion um eine Klarnamenpflicht in Österreich, wie sie die ÖVP in ihrem 3 Punkte-Plan für die Nationalratswahl im September 2024 vorschlägt, ist kontrovers. Befürworter erhoffen sich unter anderem weniger Hassrede oder Cyberkriminalität durch die Offenlegung echter Namen. Kritiker warnen vor Eingriffen in die Grundrechte wie Privatsphäre oder möglichen Diskriminierungen. Die Umsetzung muss eine Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz finden. Ob die Vorteile die Risiken überwiegen, bleibt umstritten.

Klarnamenpflicht. Auftrag an KI Tool Microsoft Copilot

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Über die Autorinnen

Marlene Döller ist 21 Jahre alt und studiert im 4. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Zuvor hat sie, ebenfalls in St. Pölten, die Höhere Lehranstalt für Tourismus mit dem Schwerpunkt Marketing besucht. In ihrer Freizeit ist sie im Vorstand eines ehrenamtlichen Kinder- und Jugendvereins tägig, bei dem sie unter anderem für den Social Media Auftritt zuständig ist.

Instagram: marlenedoeller

Hannah Ballwein ist 21 Jahre alt und studiert im 4. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Wenn sie im Zug sitzt, hört sie am liebsten Musik oder erledigt etwas für die FH. In ihrer Freizeit ist sie Vorstandsmitglied eines Ehrenamtlichen Jugendvereins der Landjugend und beteiligt sich außerdem freiwillig beim Roten Kreuz St. Pölten als Sanitäterin.
Bild Copyright: Hannah Ballwein

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