Der Trend ist klar: Online, online, online. Nun ist auch bei den letzten Medien in Österreich angekommen, dass sie Online-Inhalte produzieren müssen. Doch die Zahlungsbereitschaft für qualitativen Journalismus im digitalen Raum steigt nur langsam. Wer will schon für (online) Journalismus zahlen, wenn überall kostenlose Inhalte zur Verfügung stehen? Im Gespräch mit Redaktion „andererseits“ und „OKTO“ wird ausgeleuchtet, ob wir Finanzierungsmodelle neu denken müssen und ob es neue Rahmenbedingungen für die Medienförderung braucht.
von Emilija Ilić
Soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok oder Twitter sind für Jugendliche heute nicht mehr wegzudenken. Sei es für den Austausch mit Freund*innen oder um auf dem neusten Stand zu bleiben. Nachrichten von Online-Medien zu beziehen, ist selbstverständlich geworden und jedes Medium ist sich dessen mittlerweile bewusst. In den verschiedensten Redaktionen von „Kurier“, „Falter“ bis hin zu „Heute“ werden die journalistischen Inhalte auch für soziale Medien aufbereitet. In Form von Kurzvideos, Infografiken oder interaktiven Instagram-Stories versucht man die junge Zielgruppe zu erreichen – und das mit Erfolg.
Die letzten Jahre zeigen, dass die neue Generation an Medienkonsument*innen sich immer weiter von analog zu digital bewegt. Online-Produktion ermöglicht niederschwellige, kostenlose Information für jedermann*frau, doch können sich Medien so über Wasser halten? Laut dem „Digital News Report 2022“ gibt es im Vergleich zum letzten Jahr einen Anstieg von 1,5 Prozent an Personen, die für einen Online-Nachrichtendienst bezahlt haben. Die Zahlungsbereitschaft steigt seit Jahren an, aber nur relativ langsam. Laut dem Report greifen 82,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung ausschließlich auf kostenfreie Online-Nachrichteninhalte zurück. Das häufigste Bezahlungsmodell erfolgt noch über eine Mitgliedschaft oder ein Abonnement. Doch wie bewegt man Rezipient*innen dazu für den genutzten Content auch zu bezahlen?
Neue Ansätze
Als junges, digitales Medium stand die Redaktion „andererseits“ im September 2021 vor vielen Überlegungen, wie sie ihr neues Medium finanzieren möchte. Als erste österreichische Redaktion, in der Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt journalistisch arbeiten, setzen sie auf andere Strukturen als alteingesessene Medien in Österreich. „Es war ein langer Prozess ein Finanzierungsmodell zu finden, das auch nachhaltig funktioniert. Wir sind immer noch in der Entwicklungsphase und probieren verschiedene Ansätze aus, die sich immer wieder verändern können. Jedoch ist der Schlüssel für uns mehrere Standbeine zu haben. Es ist fast utopisch zu glauben, dass man sich am Anfang nur durch Abos finanzieren kann“, berichtet Social Media Managerin Katharina Brunner. Das Medium finanziert sich derzeit von verschiedenen Abomodellen, Sponsorings und Förderungen. „Wir setzen vor allem auf Transparenz. Bei ‚andererseits‘ fokussieren wir uns stark auf unser Publikum. Wir wollen die Leute mitnehmen und sie so motivieren, uns auch finanziell zu unterstützen“, erzählt Brunner. Das Medium produziert im Rahmen von Themenschwerpunkten wie zuletzt Thema „Spenden“, die sich alle paar Monate neu finden. Im Zuge dessen gehen sie Kooperationen ein, um die produzierten Inhalte und Veranstaltungen finanzieren zu können. Sponsorings und Kooperationen sind für „andererseits“ derzeit essenziell. Im Gegensatz dazu nutzen sie ihren Social Media Auftritt (noch) nicht für Finanzierungszwecke. Vermarktung über Social Media sei in dem Sinne wichtig, dass sie Inhalte vermittelt, die dazu führt, dass die Leser*innen auf die Arbeit der Redaktion aufmerksam werden. „Wir versuchen von Instagram die Brücke auf unsere Website oder unseren Podcast zu schlagen und durch unsere Inhalte zu überzeugen, uns auch finanziell zu unterstützen. Zukünftig könnte man jedoch auch auf Instagram auf bezahlte Kooperationen eingehen“, schließt Katharina Brunner nicht aus. Das Medium setzt besonders auf Crowdfunding-Kampagnen. Sie ist der Meinung, dass das Denken in Kampagne sehr wichtig für junge, digitale Medien sei. Nach jeder Kampagne sehe man, dass das Medium sowohl von der Aufmerksamkeit als auch durch viele Unterstützer*innen einen Push bekommt. Ein Paradebeispiel hierfür ist die von „andererseits“ produzierte Dokumentation „Das Spenden-Problem“ über „Licht ins Dunkel“. Diese hat in den deutschsprachigen Medien große Wellen geschlagen und auch neue Abonnements gebracht, wie Katharina Brunner bestätigt.
Herausfordernd scheint noch immer das Thema Förderung zu sein. Der bürokratische Aufwand sei enorm und die Förderung für digital-only-Medien sollte, laut „andererseits“ Geschäftsführer Lukas Burnar in Österreich weiter ausgebaut werden.
(Digitalisierungs-) Förderung und kleine Medien
Die neue Digitalförderungsförderung wird noch dieses Jahr von der „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR) ausgeschüttet. Auffällig ist, dass unter anderem große Medienhäuser wie der „Krone-Verlag“, „Russmedia“, „Der Standard“ und die Mediengruppe „Österreich“ zu den größten Fördernehmern zählt. Wie Mediensprecherin der „Grünen“ Eva Blimlinger in einem ORF-Interview erklärte, gebe es keinen klaren Rahmen für die Förderrichtlinien. Reine Online-Medien sind von der Förderung ausgeschlossen und dies erschwert den Markteintritt für junge, digitale Medien.
Mit fehlender Förderung hatte 2022 ein Medium besonders zu kämpfen: „OKTO“. Besonders in Krisenzeiten müssten neue kreative Lösungen her, erzählen Geschäftsführer Christian Jungwirth und Marketing & PR Managerin Clara Rotsch im Interview mit SUMO. Im April 2022 wurde dem ersten Community-Fernsehsender in Österreich von einen auf den anderen Tag das Fördergeld von der Stadt Wien gestrichen. Diese war eine Basis-Förderung, die beispielsweise pauschal die Miete gedeckt habe. Zwei Drittel der Einnahmen fielen plötzlich weg und „OKTO“ musste so viel wie möglich innerhalb von Projekten darstellen und Teile rein durch Erlöse finanzieren. „Ich habe das Gefühl, dass wir nicht gewollt sind. Ungefähr 80 Prozent unseres Programmes wird von Bürger*innen gestaltet. Meiner Wahrnehmung nach wird das, was nicht steuerbar ist in der Politik ungern gesehen. Durch unsere hohe Anbindung an die Zivilgesellschaft hatten wir inhaltlich viel Programm zur Klimakrise und standen auch eng in Verbindung mit den Jugendlichen von ,Fridays for Future‘. Man muss nur eins und eins zusammenzählen und weiß, dass das die Stadt Wien ungern gefördert hat“, schildert Christian Jungwirth. Im Interview mit dem ORF bestätigte die Stadt Wien, man stelle die Förderung ein, da man einen linearen TV-Sender, wie in diesem Fall „OKTO“, nicht mehr fördern wolle.
Kreativ werden
Sich neue Finanzierungsmodelle zu überlegen war in dieser Situation unumgänglich. „OKTO“ bewegt sich im nicht-kommerziellen Rundfunk und ist somit frei von Werbung. Bestimmte Spezifika wie Kooperationen oder Partnerschaften ermöglichen Handlungsspielraum, von dem sich der Sender derzeit finanzieren kann. Beispielsweise über Auftragsproduktionen, bei denen sie den Gewinn erwirtschaften können oder durch Sponsorings, die für den nicht-kommerziellen Rundfunk zugelassen sind. Auch die Projektförderung vom Bund, dessen Fördertopf dieses Jahr um zwei Millionen Euro erhöht wurde, bezieht der Sender. Laut RTR 360.000 Euro im Jahr 2022. Auch wenn die Erhöhung dieses Jahr großes Glück sei, reiche diese nicht, um den Betrieb wie vorher aufrechtzuhalten. „Wir müssen die gestrichene Basisförderung der Stadt Wien nun beispielsweise über Sonderwerbeformen wettmachen. Wobei das ganze Modell von ‚OKTO‘ nicht darauf ausgelegt ist nur noch Sponsorings zu verkaufen, wenn unser eigentlicher Fokus die niederschwellige Vermittlung von Medienkompetenz sein sollte“, erklärt Clara Rotsch. Eine große Chance und einen Doppelnutzen sehen sie in Kooperationen mit verschiedenen Partner*innen. Sowohl das Self-Branding als auch Leistungen, die zusätzliche Erträge bringen können, werden so vorangetrieben. Sie arbeiten momentan zusammen mit der Universität Wien an einem Projekt der „OSZE“ (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), ein weiteres haben sie mit der Gewerkschaft „Vida“ bei der „Arbeiterkammer Niederösterreich“ eingereicht. Geschäftsführer Jungwirth sieht weitere Chancen in Kooperationen mit internationalen Fernsehsendern. „OKTO“ sei mit Sendern auf der ganzen Welt vernetzt und möchte auch hier wieder andocken und sich unabhängiger von der österreichischen Medienbubble machen. „Wir arbeiten noch immer daran, Projekte und Kooperationen auszubauen, aber in den ersten Schritten ist schon ziemlich viel gelungen. Jetzt gilt es weiter innovativ zu bleiben“, so Clara Rotsch.
von Emilija Ilić